Konzert - Kammerchor feiert dreißigjähriges Bestehen

Die Kraft, die in der Ruhe liegt

VON GABRIELE BÖHM

REUTLINGEN. »Ein dreißigjähriges Jubiläum ist nicht selbstverständlich«, sagte Marcel Martinez, der mit seinem Kammerchor Reutlingen am Freitagabend in der Christuskirche das Konzert »Zum Jubeln« gab. Auf dem Programm standen Vertonungen von Psalmen, die, so der Dirigent und Moderator, von Anfang an zum Singen gedacht waren. Um den psalmodierenden Wechselgesang der Mönche nachzubilden, wurden die meisten Stücke doppelchörig aufgeführt.

In der Ruhe liegt die Kraft. Es war zu sehen, zu spüren und vor allem zu hören, wie entspannt der Chor die anspruchsvollen Kompositionen anging. Mit jener Entspannung, die stabil stehen, so schön tief in den Bauch atmen und das Zwerchfell arbeiten lässt. Das Ergebnis waren klare, voluminöse Stimmen und eine außerordentlich saubere Intonation. Martinez dirigierte auswendig und gab seinen Akteuren die Hilfen, die sie benötigten. Sein Satz ans Publikum, »Ich hoffe, dass Ihnen das Konzert Spaß macht, so wie uns das Proben«, war symptomatisch.

Auf den Punkt genau kam der erste Einsatz bei »Jauchzet dem Herrn« von Heinrich Schütz, unterstützt vom Continuo Philipp Hirrle (Cembalo) und Tim Krüger (Orgel). Positiv auf den Chorklang wirkte sich auch die relativ große Anzahl von 15 Männer- auf 27 Frauenstimmen aus. Dem Jubelpsalm folgte eine Vertonung von Psalm 96, »Cantate Domino«, des zeitgenössischen Komponisten Vytautas Miškinis, deren Dissonanzen höchste Konzentration erforderten.

Dramatischer ging es in Psalm 116 von Johann Hermann Schein zu, in dem der Betende von Jammer, Not und Ängsten berichtet. Lautmalerisch kurz und scharf sang der Chor das Wort »zerrissen« und gab den »Tränenschleier« in einem wogenden Auf und Ab der Töne wieder. In ruhiger Gewissheit erklang die Zeile »Der Herr ist gnädig und gerecht«. Leidenschaftlich intonierte der Chor das Gelöbnis, den Herrn zu preisen und entfaltete zum Schluss ein strahlendes »Amen«.

Vivaldi als Höhepunkt

Den Höhepunkt des Abends bildeten drei Stücke von Antonio Vivaldi, die in voller Besetzung mit Streichern, Continuo, Chor und Solisten aufgeführt wurden. Zwischen den Akteuren bestand ein harmonisches Zusammenspiel, die Stimmen der beiden Sopranistinnen Susann Eitrich und Anne Munding entfalteten sich in prachtvollen Koloraturen.

Durch die gesamte Breite des Hauptschiffs warfen sich die Sängerinnen und Sänger die Phrasen zu, die wie ein Echo beantwortet wurden. Innig erklangen die Bitten um Frieden im Satz von »Laetatus sum«, dem beim Psalm »Beatus vir« ein spannungsreicher Wechsel zwischen Chören, Solistinnen und Instrumentalteilen folgte. Lange wurde die erste, zentrale Zeile »Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet« ausgekostet, in immer lauter, immer weiter in die Höhe geschraubten Tönen erklang »Er wird herabschauen auf seine Bedränger«.

Das »Gloria Patri«, von Chor und Instrumentalisten als energisches Bekenntnis umgesetzt, gipfelte in einem rauschenden »Amen«, das den Schlusspunkt des Konzerts setzte. Der große Beifall zog eine Zugabe nach sich. Bei einem Empfang im Anschluss sprach unter anderem die frühere Chorleiterin Christa Feige ein Grußwort. Die Vorsitzende Christine Dehlinger-Prax ehrte die Gründungsmitglieder Michael Fischer, Karl-Heinz Schwarz sowie Gisela und Martin Brenner.

Am Sonntag wurde das Konzert in Gönningen wiederholt. (GEA)

Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers