REUTLINGEN. »Ein dreißigjähriges Jubiläum ist nicht selbstverständlich«, sagte Marcel Martinez, der mit seinem Kammerchor
Reutlingen am Freitagabend in der Christuskirche das Konzert »Zum Jubeln« gab. Auf dem Programm standen Vertonungen von
Psalmen, die, so der Dirigent und Moderator, von Anfang an zum Singen gedacht waren. Um den psalmodierenden Wechselgesang
der Mönche nachzubilden, wurden die meisten Stücke doppelchörig aufgeführt.
In der Ruhe liegt die Kraft. Es war zu sehen, zu spüren und vor allem zu hören, wie entspannt der Chor die anspruchsvollen
Kompositionen anging. Mit jener Entspannung, die stabil stehen, so schön tief in den Bauch atmen und das Zwerchfell
arbeiten lässt. Das Ergebnis waren klare, voluminöse Stimmen und eine außerordentlich saubere Intonation. Martinez
dirigierte auswendig und gab seinen Akteuren die Hilfen, die sie benötigten. Sein Satz ans Publikum, »Ich hoffe, dass Ihnen
das Konzert Spaß macht, so wie uns das Proben«, war symptomatisch.
Auf den Punkt genau kam der erste Einsatz bei »Jauchzet dem Herrn« von Heinrich Schütz, unterstützt vom Continuo Philipp
Hirrle (Cembalo) und Tim Krüger (Orgel). Positiv auf den Chorklang wirkte sich auch die relativ große Anzahl von
15 Männer- auf 27 Frauenstimmen aus. Dem Jubelpsalm folgte eine Vertonung von Psalm 96, »Cantate Domino«, des
zeitgenössischen Komponisten Vytautas Miškinis, deren Dissonanzen höchste Konzentration erforderten.
Dramatischer ging es in Psalm 116 von Johann Hermann Schein zu, in dem der Betende von Jammer, Not und Ängsten berichtet.
Lautmalerisch kurz und scharf sang der Chor das Wort »zerrissen« und gab den »Tränenschleier« in einem wogenden Auf und Ab
der Töne wieder. In ruhiger Gewissheit erklang die Zeile »Der Herr ist gnädig und gerecht«. Leidenschaftlich intonierte
der Chor das Gelöbnis, den Herrn zu preisen und entfaltete zum Schluss ein strahlendes »Amen«.
Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers