Konzert - Kammerchor Reutlingen singt Madrigale

Heiter gestimmt

REUTLINGEN. Wie frisch und jung die Madrigale und Chansons aus Renaissance und Frühbarock doch klingen! Kein bisschen museal, sondern vergnügt bis ausgelassen und manchmal sogar frivol. Frei aus dem prallen Leben geschöpft, und musikalisch so charmant und eingängig und originell geschrieben, als wären sie zeitlose Muntermacher und beste Unterhaltung dazu.

Die alten Meister aus halb Europa, deren Musik der Kammerchor Reutlingen jetzt in der Stadtbibliothek in einem seiner fröhlichsten Konzerte aufblühen ließ, sie überraschen und verzaubern uns heute noch. Vorausgesetzt, sie geraten an so flotte Sängerinnen und Sänger, wie sie der Kammerchor besitzt, die mit Lust und Laune singen und mit ihrem animierenden Leiter Christoph Mehner fein ausgearbeitete Wiedergaben vorlegen. Die Betonungen stimmen. Der Rhythmus nimmt Fahrt auf. Bewegung überall. Sprachliches wird delikat gestaltet. Der Klang hat Farbe und Raum. Schlussakkorde dürfen zur Ruhe kommen. Mehrstimmigkeit bedeutet mehr Geschehen, mehr Erzählenkönnen in Musik. Transparenz ist eine leichte, sichere Übung. A-cappella-Kultur: Das ist die klare Luft, in welcher der Chor atmet. Und dann sind da noch die kleinen, witzigen und frechen Schlenker, womit der Chor seine Vorträge würzt. Wie mit einem aufblitzenden sängerischen Bonmot. Die lockere Moderation durch eine Sängerin stand dem in nichts nach.

Vielseitigkeit und Können

Mal lieblich schwingend wie in Thomas Morleys Maienlied, mal liedhaft zart wie in Johannes Steurleins Liebesgeflüster, mal deftig und unverblümt wie in den sinnlich vibrierenden Äußerungen Orlando di Lassos zum gleichen Thema; mal prächtig mehrstimmig gesprochen und gesungen wie in Ludwig Senfls "Geläut zu Speyer", mal schlicht und innig im Ausdruck bei "Innsbruck ich muss dich lassen", mal in ein Alpental entführend mit einer klangschönen Echo-Weise oder ein andermal die pure Lebensfreude in Tönen ausbreitend wie in den Liedern von Daniel Friderici und Hans Leo Hassler, dessen "Tanzen und springen" beim Chor einen mitreißenden Temperamentsschub ausgelöst hat. Wie auch immer: Der Kammerchor gefiel mit seiner Vielseitigkeit und seinem Können, mit seiner Überzeugung, dass Gesang und Genuss zusammengehören, und mit seiner alles vergoldenden Heiterkeit.

Das ausdrucksvoll tonschöne Flötenspiel von Barbara Schlenker setzte - die Klavierbegleitung von Christoph Mehner eingeschlossen - willkommene instrumentale Akzente im munteren vokalen Treiben. Man erinnere sich nur an die brillanten Verzierungen und an die virtuose Steigerungskraft in den "Folies d'Espagne" von Marin Marais. (hdw)

Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers